Die Arbeit mit digitalen Medien in der Schule beschränkt sich oft auf Texte, Bilder oder Videos. Doch die Digitalität bietet weitaus mehr Potenzial, insbesondere wenn es darum geht, die Brücke zwischen der virtuellen und der physischen Welt zu schlagen. Für Schülerinnen und Schüler in sonderpädagogischen Settings ist das Verständnis von Dreidimensionalität oft eine Herausforderung. Hier setzt Tinkercad an: Eine kostenlose, browserbasierte Software, die den Einstieg in das 3D-Design intuitiv und barrierearm gestaltet.
In Kombination mit dem Merge Object Viewer lassen sich die erstellten Modelle zudem in Augmented Reality (AR) erleben, was völlig neue Wege für die visuelle und haptische Wahrnehmung eröffnet.
Praktische Umsetzung mit Tinkercad
Tinkercad zeichnet sich durch eine sehr flache Lernkurve aus. Lehrkräfte können nach einer Registrierung anonyme Klassen für ihre Schüler anlegen, was den datenschutzkonformen Einsatz im Unterricht erheblich erleichtert.
Grundprinzipien des Designs
• Arbeitsebene: Das Zentrum ist eine dreidimensionale Ebene, die frei rotiert und aus allen Winkeln betrachtet werden kann. Ein Würfel-Icon hilft bei der schnellen Orientierung (Oben, Unten, Seite).
• Baukasten-Prinzip: Statt komplexer Linienführung nutzt Tinkercad fertige Grundformen (Quader, Kugeln, Zylinder), die per Drag-and-Drop platziert werden.
• Verschmelzen und Ausschneiden: Das Kernfeature ist die Unterscheidung zwischen „Festkörpern“ und „Hohlkörpern“. Schiebt man eine hohle Form in einen Festkörper und gruppiert beide, entsteht eine Aussparung. So lassen sich komplexe Objekte wie Lochbohrungen oder Fenster einfach „fräsen“.
• Präzision: Größen können entweder intuitiv über „Anfasser“ oder durch die Eingabe exakter Millimeterwerte verändert werden, was auch mathematische Kompetenzen schult.
Sonderpädagogischer Bezug und Inklusionspotenzial
Der Einsatz von 3D-Design-Software wie Tinkercad bietet spezifische Vorteile für die Inklusion:
1. Förderung der Raum-Lage-Wahrnehmung: Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten in der räumlichen Orientierung erhalten durch die interaktive Arbeitsebene ein direktes Feedback über Positionen und Größenverhältnisse.
2. Motivationssteigerung durch Gamification: Der integrierte Minecraft-Modus und der Brick-Modus (Lego-Stil) transformieren die Entwürfe in bekannte Spielwelten. Dies senkt die Hemmschwelle und steigert die Ausdauer bei der Aufgabenbewältigung.
3. Haptische Erfahrung durch 3D-Druck: Digitale Entwürfe können exportiert und mit einem 3D-Drucker realisiert werden. Dies ist besonders wertvoll für Lernende, die eine konkrete, begreifbare Bestätigung ihrer digitalen Arbeit benötigen.
4. Barrierefreiheit durch AR: Über den Merge Object Viewer können die Modelle auf einem sogenannten „Merge Cube“ in der Hand gehalten werden (Augmented Reality). Dies unterstützt Kinder mit Beeinträchtigungen im abstrakten Denken, da das Objekt virtuell im Raum „existiert“.
Fazit
Tinkercad und die anschließende Visualisierung via AR oder 3D-Druck machen das Lernen „begreifbar“. Im Sinne der Diklusion (digitalen Inklusion) bietet die Software vielfältige Differenzierungsmöglichkeiten: Während eine Schülerin vielleicht noch Grundformen stapelt, konstruiert ein anderer Schüler bereits passgenaue Bauteile. Das Endergebnis – ein selbst geschaffenes, dreidimensionales Objekt – sorgt für ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit.